Mitte Dezember 2020: Die Erhebungsphase beginnt – Thomas führt die ersten Interviews.

Ein Balanceakt zwischen Kautz und Detektiv:

* Nachgesprochener Ausschnitt aus Originalinterview

Im Datenmaterial, den transkribierten Interviews, sucht Thomas nach Passagen, wo was dahintersteckt.

 


 

Findet er solche Passagen, stellt sich sofort auch die Frage, was dahintersteckt und wie das Dahinterliegende benannt werden kann.

 


Das Wesentliche wird also extrahiert: Thomas identifiziert und bildet Begriffe. Diese Begriffe erfasst Thomas in einer Liste, er systematisiert sie, abstrahiert und benennt sie: Codes entstehen.

Die Codeliste wächst sukzessive an, Codes werden zusammengefasst, sortiert, ausgewählt und daraus dann Kategorien gebildet: Das Kategoriensystem entsteht. Auch dieser Prozess ist geprägt durch kreatives Hin- und Herbewegen, durch Ergänzen, Umgestalten und Fokusverlagern.

26. Jänner 2021, Auszug aus einer Notiz von Thomas:

„Ich möchte gerne nach Sichtung ungefähr von 20 Interviews, 10 werden ja noch weiter kommen oder sind noch geplant, so eine verdichtende, längere Zusammenfassung machen, […]“

Thomas hält seine Gedanken zu den bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Interviews und die Erkenntnisse aus deren Analysen in einer Zusammenfassung fest – eine Art

Zwischenstand
zu den wichtigsten
Aspekten:

[…] Das heißt, ein Großteil der Veränderung durch die Organisation war, die Prozesse, die Kernprozesse, soweit aufrechtzuerhalten und zu adaptieren durch digitale Tools, sodass es für die KundInnen und für das eigene Unternehmen noch machbar war. Natürlich wurde da auch einiges auch bewusst weniger streng gemacht oder sozusagen adaptiert an der neuen Realität. […]

[…] Bei einigen wenigen hat bewusst ein Lernen stattgefunden und auch schon so ein Prozess wie: Was sollten wir jetzt in Frage stellen bzw. was sollten wir auch wenn die Pandemie vorbei ist, nicht mehr machen, weil wir es jetzt auch nicht gemacht haben? Das heißt, diesen Aspekt würde ich dann eher als diese Lernfähigkeit auch sehen und für das Danach auch schon den Blick. Und dann gab es einige überhaupt, die haben schon Prototypen gefahren oder ganz neue Piloten oder ganz was Neues gemacht, weil sie davon ausgehen, dass nach der Pandemie das Thema Digitalisierung weiter für die Kunden auch neue Geschäftsfelder in sich birgt und die haben bewusst sozusagen auf eine Innovation auch gesetzt. […]

[…] Ein wesentlicher anderer Punkt ist neben dem Hereinholen von Leuten, die jetzt schon lange nicht im Betrieb waren und auch da zu sehen, dass Leute, die jetzt autonom waren, natürlich dann nicht so einfach wiederum zurückkehren und dieselben hierarchischen Regeln akzeptieren werden und auch sozusagen die Zusammenarbeit so reibungslos ist, weil ja sozusagen jeder auch eine eigene Gewohnheit entwickelt hat. […]

[…] Dann gab es einige wenige Firmen, die sich darauf konzentriert haben, so Videos und Tipps von der Arbeitsmedizin oder Arbeitspsychologie zu haben, auch Infos zu geben. Manche haben sozusagen die Arbeitssituation über den Sommer erhoben und war dann die Rückmeldung sehr, sehr positiv in Wirklichkeit im Großen und Ganzen. Viele haben Fortbildungen zur digitalen Führung oder zu Homeoffice auch angeboten oder auch, wie man Pausen macht, also da Videos zur Verfügung gestellt. […]

[…] Auch wird gesagt, der Unterschied ist da, dass Personen, die eher extrovertiert sind, bevorzugen eher in direktem Kontakt zu sein, weil sie sich ja einfach durch Interaktion auch entspannen und auch diese Nähe suchen zu Personen, während Introvertierte es eher genossen haben oder gut gefunden haben, auch sozusagen im digitalen Zeitalter Homeoffice zu machen. Das muss aber natürlich weiter untersucht werden, das ist einmal nur eine Behauptung. […]

[…] Was auch eine Schwierigkeit ist, ist Crowding-Phänomene, das heißt zu wenig Platz. Homeschooling, parallel dazu auch noch Betreuungspflicht, das heißt, man muss die Arbeit irgendwie unterordnen und gleichzeitig sagt aber die Firma: Du hast aber jetzt Arbeitszeit! […]

[…] Das ist übrigens für die „Ability to Improvisation“, also die Fähigkeit zu improvisieren, ein ganz ein wichtiger Punkt, dass man einen Rahmen aufspannt, der auch sozusagen die Zonen hat, die Randzonen, das, was definitiv das Must ist und das andere ist, was das Experimentierfeld ist, was auch Möglichkeiten sind, wo die Personen Selbstwirksamkeit erleben, einen Einfluss erleben. Aber das heißt, eine rote Linie, die einerseits nicht überschritten werden darf und anderseits da der Aspekt auch festgelegt wird auch, wo die Person ermutigt wird, selbst in eine Verantwortung zu gehen und was ihr auch zusteht zu treffen. […]

Bis Ende Februar 2021 – einen Monat später – folgen 25 weitere Interviews.

Zu dieser Zeit tritt in Österreich die FFP2-Maskenpflicht in Kraft.

Das Testangebot steckt noch in Kinderschuhen. Umstände, die für Interviewsituationen alles andere als ideal sind. Thomas gelingt es dennoch, die Erhebungsphase abzuschließen.

Woher weiß er, wann es an der Zeit ist, mit den Interviews aufzuhören? Durch Eintreten theoretischer Sättigung.

„Die theoretische Sättigung wird durch paralleles Erheben und Analysieren der Daten erreicht. Eine Kategorie gilt dann als gesättigt, wenn die Forscher an dem Punkt der Datenanalyse angelangt sind, an welchem das Einbeziehen zusätzlichen Materials keine neuen Eigenschaften einer Kategorie erbringen kann.“

(Aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Theoretische_S%C3%A4ttigung)

Wie ursprünglich geplant führt Thomas Interviews mit Führungskräften, Geschäftsführungen, einem Geschäftsinhaber und Mitarbeiter_innen aus Organisationen im Profitbereich, der öffentlichen Verwaltung, aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich. All diese Organisationen gelten als systemrelevant – sie haben also die Betriebs- und Geschäftstätigkeit stets aufrechterhalten.

In den Interviews wird erzählt, wie einsam das allein Arbeiten zuhause empfunden wird, aber auch wie praktisch, da Wegzeit eingespart kann. Als zentrale Herausforderung wird immer wieder Selbstorganisation genannt. Der Kaffetratsch geht vielen im Homeoffice ab.

„Was tragen die Menschen und Organisationen bei, um die Herausforderungen der Pandemie zu bewältigen“, fragt sich Thomas.

Immer wieder verläuft er sich in seinen Gedankensträngen, immer wieder fokussiert er sich auf seine Forschungsfrage: Wie bewältigen Organisationen die Herausforderungen in der Pandemie?

„Forschen heißt ganz bestimmte Fragen zu stellen“, sagt Thomas.

Ihr fragt euch, wie das gehen kann, wie man das macht?

Lasst euch die Andern Rätsel sein, die wach euch halten.

Am Balkon steht jemand und klatscht. Das Zeitgefühl geht verloren.

Improvisation, Überraschung, Mut, Selbstbewusstsein, Halt durch Führung, Flexibilität, Vertrauen.

Insgesamt werden in den Interviewtranskripten 1.585 Stellen codiert. Der Code mit der höchsten Häufigkeit ist „Für danach – das richtiges Maß finden“ (145 mal), gefolgt von „Homeoffice“  (125 mal). „Information und Kommunikation“ liegt mit „Muster Lernen 2.0/Transformation – persönliche Reflexion (Bilder/Annahmen“ ex aequo auf Platz 3 (71 mal). Auf den weiteren Rängen: „Beiträge der Mitarbeiter – Miteinander – negativ“, „Gut gelungen“, „Wenig gelungen“, „Muster Adaption – Herausforderungen“, „Unterstützung durch die Organisation – Maßnahmen für die Gesundheit (Schutzkleidung, Tests)“.

Zeichnungen von Eva Böhm, erstellt mit der Methode des Graphic Recording. Hierbei handelt es sich um ein Protokollieren in visueller Form.

Dem zuvor geht das Herauskristallisieren und Zusammenfassen der wichtigsten Aspekte, Themen und Stimmungen.

Thomas hat die Arbeit von Eva in Anspruch genommen, um diesen einen, ganz speziellen Blick auf sein Material zu erhalten.

„Eine Frage
hätte ich da noch.“

Columbo

Die Initialzündung für die Forschungsarbeit kommt aus seinem praktischen Arbeiten. Die Forschungsfrage ist ihm deshalb von Beginn an klar.

Während sich das Forschungsdesign entwickelt, entwickeln sich auch nach und nach die Subfragen.

Lernen

[…] Bei einigen wenigen hat bewusst ein Lernen stattgefunden und auch schon so ein Prozess wie: Was sollten wir jetzt in Frage stellen bzw. was sollten wir auch wenn die Pandemie vorbei ist, nicht mehr machen, weil wir es jetzt auch nicht gemacht haben? Das heißt, diesen Aspekt würde ich dann eher als diese Lernfähigkeit auch sehen und für das Danach auch schon den Blick. Und dann gab es einige überhaupt, die haben schon Prototypen gefahren oder ganz neue Piloten oder ganz was Neues gemacht, weil sie davon ausgehen, dass nach der Pandemie das Thema Digitalisierung weiter für die Kunden auch neue Geschäftsfelder in sich birgt und die haben bewusst sozusagen auf eine Innovation auch gesetzt. […]

Gewohnheiten

[…] Ein wesentlicher anderer Punkt ist neben dem Hereinholen von Leuten, die jetzt schon lange nicht im Betrieb waren und auch da zu sehen, dass Leute, die jetzt autonom waren, natürlich dann nicht so einfach wiederum zurückkehren und dieselben hierarchischen Regeln akzeptieren werden und auch sozusagen die Zusammenarbeit so reibungslos ist, weil ja sozusagen jeder auch eine eigene Gewohnheit entwickelt hat. […]

Unterstützung

[…] Dann gab es einige wenige Firmen, die sich darauf konzentriert haben, so Videos und Tipps von der Arbeitsmedizin oder Arbeitspsychologie zu haben, auch Infos zu geben. Manche haben sozusagen die Arbeitssituation über den Sommer erhoben und da war dann die Rückmeldung sehr, sehr positiv in Wirklichkeit im Großen und Ganzen. Viele haben Fortbildungen zur digitalen Führung oder zu Homeoffice auch angeboten oder auch, wie man Pausen macht, also da Videos zur Verfügung gestellt. […]

Flexibilität

[…] Das heißt, ein Großteil der Veränderung durch die Organisation war, die Prozesse, die Kernprozesse, soweit aufrechtzuerhalten und zu adaptieren durch digitale Tools, sodass es für die KundInnen und für das eigene Unternehmen noch machbar war. Natürlich wurde da auch einiges auch bewusst weniger streng gemacht oder sozusagen adaptiert an der neuen Realität. […]

Home Office - Minus

[…] Was auch eine Schwierigkeit ist, ist Crowding-Phänomene, das heißt zu wenig Platz. Homeschooling, parallel dazu auch noch Betreuungspflicht, das heißt, man muss die Arbeit irgendwie unterordnen und gleichzeitig sagt aber die Firma: Du hast aber jetzt Arbeitszeit! […]

Home Office - Plus

[…] Auch wird gesagt, der Unterschied ist da, dass Personen, die her extrovertiert sind, bevorzugen eher in direktem Kontakt zu sein, weil sie sich ja einfach durch Interaktion auch entspannen und auch diese Nähe suchen zu Personen, während Introvertierte es eher genossen haben oder gut gefunden haben, auch sozusagen im digitalen Zeitalter Homeoffice zu machen. Das muss aber natürlich weiter untersucht werden, das ist einmal nur eine Behauptung. […]

 

Thomas entwickelt heute Forschungsdesigns anders als früher. Er forscht anders als früher, er fragt anders als früher.

Was war eine wesentliche Erkenntnis, die dazu geführt hat?

Digitale Kommunikation

[…] Das ist übrigens für die „Ability to Improvisation“, also die Fähigkeit zu improvisieren, ein ganz ein wichtiger Punkt, dass man einen Rahmen aufspannt, der auch sozusagen die Zonen hat, die Randzonen, das, was definitiv das Must ist und das andere ist, was das Experimentierfeld ist, was auch Möglichkeiten sind, wo die Personen Selbstwirksamkeit erleben, einen Einfluss erleben. Aber das heißt, eine rote Linie, die einerseits nicht überschritten werden darf und anderseits da der Aspekt auch festgelegt wird auch, wo die Person ermutigt wird, selbst in eine Verantwortung zu gehen und was ihr auch zusteht zu treffen. […]

Die Entwicklung eines Forschungsdesigns ist eine komplexe Angelegenheit. Was hier nicht entstehen soll: Der Eindruck, dass es sich dabei bloß um ein lineares Einen-Punkt-nach-dem-anderen-Abarbeiten handelt. Zur Verdeutlichung folgendes Modell:

Angelehnt an: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019 F. Breuer et al., Reflexive Grounded Theory, Seite 139